Neonazi aus Aachen verurteilt: „Turonen“-Prozess in Erfurt endet mit Haftstrafen
Erfurt/Aachen. Am Ende eines Prozesses am Landgericht Erfurt gegen ein Netzwerk von Neonazis und deren Mitstreiter*innen, die unter anderem wegen bandenmäßigen Drogenhandels angeklagt waren, ist auch ein Neonazi aus Aachen verurteilt worden. Der bereits strafrechtlich und einschlägig in Erscheinung getretene Mann wurde laut eines Gerichtssprechers wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Insgesamt acht Angeklagte sind am Mittwoch in Erfurt zu Bewährungs- und Haftstrafen von bis zu elf Jahren verurteilt worden. Vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung sprach das Landgericht den Hauptangeklagten aus Thüringen und weitere Angeklagte allerdings frei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass das Geld in die Finanzierung rechtsextremer Strukturen geflossen sei, sagte der Vorsitzende. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Drogenhandel der Finanzierung des Lebensstils des Hauptangeklagten gedient habe.
Der mit angeklagte Aachener war schon im März 2019 in einem langwierigen Prozess vor dem Landgericht Aachen wegen Beihilfe zum Drogenhandel verurteilt worden. Er war bereits zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Neonazi stammt aus einer Familie, deren Mitglieder seit Jahrzehnten zum Teil führend in der rechtsextremistischen Szene aktiv waren oder weiterhin sind.
Er selbst war auch in Nachfolgestrukturen der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), nämlich im Kreisverband Aachen der neonazistischen Partei „Die Rechte“ (DR) und deren Unterorganisation „Syndikat 52“ (S52), engagiert – zum Teil führend. Dem Neonazi war nun am Landgericht Erfurt vorgeworfen worden, im Grenzland Drogen für das Netzwerk beschafft zu haben. Diese sollten dann von Kurieren oder dem Aachener selbst nach Ostdeutschland transportiert worden sein.
Der Prozess wurde im Oktober 2022 zum zweiten Mal neu aufgerollt. Zunächst war davon ausgegangen worden, dass die Neonazi-Gruppe bandenmäßig mit Drogen gehandelt hatte und eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Zudem bestand eine Nähe zum Rotlichtmilieu und der Prostitution. Eine übergeordnete Bande erkannte die Erfurter Kammer am Mittwoch allerdings nicht. Auch von den „Turonen“ oder der „Bruderschaft Thüringen“ seien die Geschäfte offenbar getrennt abgelaufen, hieß es. Dennoch wurden Angeklagte dem Netzwerk zugerechnet, das unter beiden Namen auftrat.
Weitere Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt. Zwei der Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen. Kritisiert wurde, dass die Kammer keine kriminelle Vereinigung erkannte. Die „Bruderschaft“ hatte zuvor auch kleinere und sehr große Neonazi-Konzerte organisiert. Die Ablehnung des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung sei daher völlig unverständlich, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling das Urteil. Es entpolitisiere die Aktivitäten der „Turonen“.
Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, begrüßte zwar die langen Haftstrafen. Denn „damit wäre die erste Führungsriege der extrem rechten, kriminellen Bruderschaft Thüringen – Turonen/Garde 20 zerschlagen, sobald das Urteil rechtskräftig ist.“ Fragwürdig sei ihres „Erachtens jedoch, dass das Gericht trotz eines deutlichen Plädoyers der Staatsanwaltschaft keine kriminelle Vereinigung hinter den Turonen [und der Supporter-Gruppe] Garde 20 und ihren Machenschaften erkennen wollte. Erneut wird meines Erachtens verkannt, wie rechte Netzwerke funktionieren.“
Die Staatsanwaltschaft kündigte nach der Urteilsverkündung an, das Urteil sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls Revision einzulegen. (mik)