Rechte Straftaten in der Region: Entwicklungen in den Jahren 2019 und 2020

Region. In NRW sind die rechtsextrem motivierten Straftaten in den letzten beiden Jahren [1] zurückgegangen, wobei es landesweit auch einen Rückgang bei den Gewalttaten gab. Lagen diese 2018 noch bei 217, sanken sie 2019 auf 158 und 2020 auf 142 Gewalttaten. Bei fünfzig dieser Delikte wurden letztes Jahr 55 Menschen verletzt, in den übrigen Fällen wurden Menschen zwar geschädigt, aber nicht körperlich verletzt. Im Großraum Aachen schwankt die Häufigkeit rechter Delikte je nach Kreis und Stadt.

2018 verzeichnete die Polizei in ganz NRW insgesamt 3.767 politisch rechts motivierte Straftaten. Im Jahr 2019 wurden 3.661 rechte Straftaten registriert, 2020 verzeichneten die Behörden landesweit 3.383 solcher Delikte. Zurück gehen diese Erkenntnisse auf Antworten der Landesregierung auf Anfragen der Grünen-Landtagsfraktion. Verzeichnet werden in solchen Statistik allerdings nur Taten, die angezeigt oder durch die Behörden selbst festgestellt wurden.

Der Großraum Aachen

Im Großraum Aachen sank die Zahl rechter Straftaten in den letzten Jahren kontinuierlich von 273 (2015), 269 (2016), 233 (2017), 230 (2018), 246 (2019) auf unterdessen 184 (2020). Dieser Rückgang, besonders der im vergangenen Jahr, geht auf Entwicklungen im Kreis Heinsberg und in der Städteregion Aachen zurück; im Kreis Düren stiegen die Zahlen gegenüber dem Landestrend an.

Im Kreis Düren wurden 2018 insgesamt 36 rechte Straftaten registriert, 2019 waren es 51 Delikte und 2020 dann 46. In der Städteregion Aachen stieg die Zahl 2019 mit insgesamt 140 Delikten leicht an (2018: 135), sank 2020 jedoch auf 109 ab (Stadt Aachen 2018: 84; 2019: 76; 2020: 60). Im Kreis Heinsberg sanken die Straftaten kontinuierlich: 69 (2017), 59 (2018), 55 (2019), 30 (2020).

Diese Entwicklungen haben unterschiedliche Gründe bzw. können unterschiedliche Gründe haben. Unter anderem im Kreis Heinsberg fällt auf, dass eine zuvor sehr radikale Szene durch den Druck polizeilicher Ermittlungen, durch beendete und anstehende Strafprozesse, durch den Umzug oder Rückzug ins Familienleben von Neonazis oder weil Tatverdächtige gefasst wurden (Gangelt) nun weniger auffällig ist. Gleichwohl trugen sich im Kreis besonders schwere Straftaten zu, etwa die Schändung der jüdischen Friedhöfe in Geilenkirchen und Gangelt (beide 2019).

Mit Blick auf die Entwicklung in den letzten Jahren lässt sich feststellen, dass in Orten, in denen zeitweise organisierte Strukturen aktiv und die Zahl der Straftaten hoch waren, die Delikte abnahmen sobald sich „Kameradschaften“ wieder auflösten (Alsdorf, Jülich). Gleichwohl können auch junge, besonders aktionsorientierte Neonazis die Anzahl der Delikte stark ansteigen lassen, siehe zeitweise Aachen, aber vor allem Niederzier.

Auch in Niederzier wurden seit Anfang 2019 besonders schwere Straftaten verzeichnet, etwas großflächige Sprühaktionen mit offen nationalsozialistischen und antisemitischen Parolen oder Symbolen. Auffallend sind die Häufung rechter Delikte zudem 2019 in Merzenich (6) und Wegberg (7). In Vettweiß wurden indes keine rechten Straftaten verzeichnet, was insofern bemerkenswert ist, da dort der frühere Anführer der 2012 verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) lebt, der weiter in der Kleinstpartei „Die Rechte“ (DR) und der Gruppe „Syndikat 52“ (S52) aktiv war.

Körperverletzungen und Hasskriminalität

In allen Kommunen in der Region handelt es sich bei den rechten Taten überwiegend um Propagandadelikte, Volksverhetzung oder Sachbeschädigung. In der gesamten Region wurden 2019 aber auch fünf Körperverletzungsdelikte registriert (Aachen: 3; Merzenich und Geilenkirchen: je 1), 2020 waren es insgesamt sechs (Aachen: 5; Eschweiler: 1). Bis auf eines dieser sechs Delikte in 2020 handelte es sich um Körperverletzungen aus fremdenfeindlichen, rassistischen oder islamfeindlichen Beweggründen. Gegenüber 2018 gingen in beiden Jahren die registrierten Gewalttaten und Körperverletzungen zurück.

Die Bündnis-Grünen haben die Landesregierung auch nach der Häufigkeit antisemitischer, islamfeindlicher, antiziganistischer und flüchtlingsfeindlicher Straftaten befragt. In Einzelfällen können diese auch anderen Bereichen als dem rechten Spektrum zugeordnet werden. Landesweit gibt es dabei Schwankungen, einzelne Phänomene werden zudem schon unterschiedlich lange gesondert in der Kriminalitätsstatistik aufgeführt. Der Übersichtlichkeit halber erfolgt dazu nur ein Blick in die Region.

Im Großraum Aachen registrierten die Behörden 2020 dreizehn islamfeindliche Straftaten, alle davon werden dem rechten Spektrum zugerechnet. Zugetragen haben sich diese in Aachen (6), Eschweiler (3) und Alsdorf, Baesweiler, Stolberg, Langerwehe (je 1). Antisemitische Straftaten wurden fünf registriert, auch hier werden alle dem rechten Spektrum zugeordnet. Zugetragen haben sich diese in Aachen (4) und Würselen (1). Von den landesweit 23 erfassten antiziganistischen Straftaten ereignete sich keine in der Region.

Flüchtlingsfeindliche Straftaten wurden im Raum Aachen im vergangenen Jahr sechzehn registriert. In sechs Fällen wurden dabei sieben Verdächtige ermittelt, einer davon 18 Jahre alt, die anderen Beschuldigten waren zum Tatzeitpunkt zwischen 32 und 45 Jahre alt (fünf Männer, zwei Frauen). Flüchtlingsfeindliche Straftaten gab es 2020 in Aachen (6), Stolberg (3), Düren (2) sowie Herzogenrath, Niederzier, Langerwehe, Linnich und Nörvenich (je 1). Alle davon wurden Menschen zugeordnet, die dem rechten Spektrum nahe stehen oder angehören.

Ein kurzer Rück- und Ausblick

Festzuhalten bleibt, dass die Entwicklung 2020 durch die Corona-Pandemie und die Kommunalwahlen in Sachen Statistik dynamischer als üblich hätte sein müssen. Gerade in Wahlkampfzeiten – 2021 steht die Bundestagswahl an – steigen erfahrungsgemäß politisch motivierte Straftaten etwa wegen Beschmierens und Zerstörens von Wahlplakaten an. Dürften klassische Straftaten zu Lockdown-Zeiten zurückgegangen sein, stiegen demgegenüber wohl die Delikte im Rahmen der „Corona-Demos“ und im virtuellen Raum an.

Die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für politisch rechts motivierte Straftaten dürfte derweil auch 2021 wieder schwere Straftaten zu verzeichnen haben. Ende Januar zogen oder traten Unbekannte etwa ein sehr großes Hakenkreuz in den Schnee auf einem Sportplatz in Roetgen. Unbekannte beschmierten Mitte Januar zudem in Aldenhoven eine Gedenkstele mit gelber Farbe, die an die jüdischen Opfer im Nationalsozialismus erinnert. (Text und Tabellen: Michael Klarmann)

  • [1] Wegen Aufbaus unserer neuen Homepage und Verzögerungen im Zuge des ersten Lockdowns konnten wir im Frühjahr 2020 keinen Rückblick auf die rechten Straftaten 2019 veröffentlichen.