Prozessbericht: Massive Beleidigung von Polizisten bei SEK-Einsatz kostet 750 Euro
Region Aachen. Wegen Beleidigung von Polizisten bei einem SEK-Einsatz und einer Hausdurchsuchung hat das Amtsgericht Monschau am vergangenen Montag (22.1.) einen 39-jährigen Mann aus Simmerath zu einer Geldstrafe von 750 Euro verurteilt. Der von Sozialleistungen lebende Mann verbreitet im Internet rechtsradikale und antisemitische Inhalte. Die Beleidigungen selbst waren demgegenüber primitiv, pöbelhaft und frauenverachtend.
Mitte 2023 war es zu dem SEK-Einsatz in Simmerath-Strauch gekommen. Die Lokalzeitung titelte: „Schäferhund bei Polizeieinsatz in Strauch erschossen“. In dem Artikel hieß es: „Auf Nachfrage erklärt die Polizei, dass schon seit längerer Zeit gegen den Mann ermittelt werde, unter anderem wegen volksverhetzender Beiträge und Beleidigungen auf Socialmedia-Plattformen sowie dem Gebrauch von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Außerdem habe der Mann im Internet auf Bildern mit einer Schusswaffe posiert. Schließlich habe man beim Amtsgericht Aachen einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt und diesen […] vollstreckt.“
In diesem Strafverfahren geht es um Postings, die der heute 39-Jährige zwischen März und Oktober 2022 veröffentlicht haben soll. Das entsprechende Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Mann verbreitet jedoch weiterhin unter anderem über das Facebook-ähnliche russische soziale Netzwerk VK.com Inhalte aus dem „Reichsbürger*innen“-, rechtsradikalen, verschwörungsideologischen, antisemitischen und QAnon-Spektrum. Auslöser für den SEK-Einsatz war hingegen das in einem der Postings aus dem Jahr 2022 enthaltene Foto mit einer Schusswaffe. Dabei soll es sich allerdings nur um eine Attrappe gehandelt haben. Neben dem Foto hatte der Mann mit wenigen Worten angedeutet, dass er „vorbereitet“ sei.
In einem anderen Posting soll er laut Angaben im Durchsuchungsbeschluss mitgeteilt haben, er hoffe auf „eventuelle [selbstmörderische] Amokläufer“ die „ein Zeichen“ setzen würden und möglicherweise „eine Staatshure weniger im Krieg zwischen Mensch und Personen“ mitnehmen würden. „Reichsbürger*innen“ betrachten sich selbst als „Mensch“, Staatsdiener hingegen bewerten sie als „Personen“ aka „Personal“ der „Firma“ BRD.
Laut Polizei, Aktenlage und Zeug*innen, die am Montag vor Gericht gehört wurden, hatte sich der heute 39-Jährige zu Beginn des Einsatzes rund zwanzig Minuten lang äußerst aggressiv verhalten. Demnach beschimpfte er die eingesetzten Polizeibeamten und eine unabhängige Zeugin des Ordnungsamtes trotz Handfesseln und Augenmaske fortwährend – die Beschimpfungen glichen dabei späteren neuen Diffamierungen (s.u.) oder kamen als herabwürdigende, vulgäre, sexistische und frauenverachtende Pöbeleien daher.
Hetze gegen die Polizei
Auch nach dem Einsatz hetzte der Mann weiter gegen das SEK und die eingesetzten Polizisten. In Postings bezeichnete er sie als „Söldnerpack“ und „Faschosau“, den Einsatz als „Anschlag“ und „Gestaposcheiß“. In einem anderen Posting bezeichnete er die Polizei als „SS-Nazi-Polizei-Truppe“. Später beleidigte er auch Polizist*innen zum Teil namentlich auf VK.com und sogar auf Twitter, heute X auf dem Profil der Polizei Aachen. Gegen den seit seiner Jugend mehrfach vorbestraften Mann laufen nach Angaben des Gerichts und des Verteidigers noch eine Reihe weiterer Ermittlungsverfahren. Zu Prozessbeginn hatte ihn die Richterin mit den Worten begrüßt: „Sie wissen, wie es [hier] abläuft!“
Sein „Auszug aus dem Zentralregister“, früher umgangssprachlich polizeiliches Führungszeugnis genannt, weist seit Ende der 1990er Jahre zehn Eintragungen oder Verurteilungen auf, darunter auch Haftstrafen. Die Lokalpresse dazu: „Unter den zehn Einträgen befinden sich unter anderem Anklagen und Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs, Diebstahl, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Urheberrechtsverletzungen und Bedrohung. Nicht alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt, auch Haftstrafen hat der 39-Jährige bereits verbüßt.“
Wie in der „Reichsbürger*innen“- oder „Querdenker*innen“-Szene nicht unüblich, bezeichnete der Mann andere Gegner*innen als „Faschos“ und „Nazis“. Polizist*innen hätten keine staatsrechtliche Legitimation – um dies zu „beweisen“, verwendete er in seinen Postings Ideologie-Fragmente aus der „Reichsbürger*innen“-Szene als vermeintliche Beweise. Im August 2023 verbreitete er zudem virtuell Kunstwerke in Postings, die beispielsweise Donald Trump und die rechtsextreme, antisemitische QAnon-Verschwörungserzählung huldigten und der NWO („New World Order“) eine Weltverschwörung unterstellten – mit einem David- respektive „Judenstern“ im O, also einem erkennbar antisemitischen Code.
„Cyber-Krieg“ um die Fluthilfe-Projekte im Ahrtal
Die Richterin am Amtsgericht Monschau hielt dem Angeklagten am Montag zugute, dass er die Beleidigungen während des SEK-Einsatzes eingeräumt habe. Ihr fehle es zugleich in den Akten an „Substanz“, womit der SEK-Einsatz begründet wurde, sagte die Richterin. Sie nehme es auch „staunend zur Kenntnis“, dass die Polizei „sich von den Karren spannen lässt“ bei etwaigen Internet-Fehden. Die ARD berichtete ausführlich über einen „Cyber-Krieg“ um die Fluthilfe-Projekte im Ahrtal, was auch einer der Gründe für die Ermittlungen und den SEK-Einsatz in Strauch ist. Ein „Unschuldslamm“ sei der Wahl-Simmerather keineswegs, sagte die Richterin, aber ein SEK gegen ihn anrücken zu lassen, erscheine ihr unbegründet.
Gleichwohl sind die Sicherheitsbehörden alarmiert, wenn sich Razzien gegen Personen richten, die als „Reichsbürger*innen“ gelten oder deren Ideologie-Fragmente verbreiten. 2016 erschoss bei einem Polizeieinsatz im mittelfränkischen Georgensgmünd ein „Reichsbürger“ einen Polizisten. Im Jahr 2022 schoss ein solcher auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos, die im baden-württembergischen Bobstadt eine Pistole beschlagnahmen wollten. Als sich 2020 ein Rechtsextremist aus Langerwehe auf Facebook in martialischer Pose mit Waffen und verbalen Gewaltdrohungen präsentierte, griffen auch dort umgehend Sondereinsatzkräfte der Polizei zu.
Zwar war im Fall des heute 39-Jährigen laut einer Anmerkung seines Strafverteidigers schon vor dem dortigen Einsatz bekannt, dass er mit einer Anscheinwaffe posiert hatte. Gleichzeitig galt er als Besitzer eines „Listenhundes“ – also eines als gefährlich eingestuften Hundes oder eines Kampfhundes. Dieser Hund stürmte während des Einsatzes aus dem Haus und lief weg, ein Schäferhund rannte indes auf das SEK zu, woraufhin die Polizeibeamten aus Eigensicherung mehrere, letztlich auch tödliche Schüsse auf den Hund abgaben.
Mitte 2023 stellte die Polizei bei dieser Hausdurchsuchung in Simmerath-Strauch Datenträger und internetfähige Endgeräte sicher. Außerdem wurden Betäubungsmittel sichergestellt. Eine Waffe oder Anscheinwaffe wurde nicht gefunden. Ein Polizist des Aachener Staatsschutzes sagte am Montag am Amtsgericht in Monschau als Zeuge aus, er sei „in so kurzer Zeit“ während eines Einsatzes „noch nie so oft beleidigt worden“. Am Ende verurteilte die Richterin den 39-Jährigen, der keinen Berufsabschluss hat und Sozialleistungen bezieht, deshalb zu einer Geldstrafe von 750 Euro. (mik)