Rechte „Friedensdemo“: In Düren will die AfD eine „Friedenspartei“ sein
Kreis Düren/Städteregion Aachen. Am Samstag, einen Tag, nachdem sich der russische Angriff auf die Ukraine jährte, fand in Düren eine „Friedensdemo“ statt. Veranstalter waren ein „Demobündnis Düren“ sowie die AfD aus der Städteregion Aachen und aus dem Kreis Düren. Die Partei gab sich dabei nicht offen zu erkennen, gleichwohl waren AfD-Funktionäre, -Mitglieder und -Anhänger*innen maßgeblich involviert. Die vom Verfassungsschutz unter Rechtsextremismus-Verdacht beobachtete Partei inszeniert sich bundesweit als „Friedenspartei“.
Die AfD, „Querdenker*innen“ sowie sektiererische und verschwörungsgläubige Gruppen wollen über das Thema Frieden im Zuge des Kriegs in der Ukraine neue Mitstreiter*innen gewinnen. Letztlich will das Spektrum auf diesem Wege auch weiter Front gegen die Regierenden und gegen die „Eliten“ machen. Diffamierte man diese zuvor als „Corona-Diktatur“, „Impf-Faschisten“ oder „Coronazis“, setzt man sie nun erneut mit dem Nationalsozialismus und mit Kriegsverbrechen gleich. Deutsche Panzer würden etwa wieder gen Osten rollen, deutsche Waffen abermals an der „Ostfront“ töten.
Nur selten wird der russische Präsident Wladimir Putin in dieser politischen Gemengelage als Aggressor dargestellt. Vielmehr werden in einer kruden Mischung aus Erzählungen die Nato, die USA, die Europäische Union, die Bundesregierung und nicht zuletzt die Bündnis-Grünen sowie Außenministerin Annalena Baerbock als Grund für den russischen Angriffskrieg oder als „Kriegstreiber“ dargestellt. Im Endeffekt folgt diese Feindmarkierung der russischen Propaganda. „Nazis“ und „Faschisten“, wird behauptet, seien die Ukrainer*innen, die westlichen Demokratien und die liberale, offene Gesellschaft.
Heterogen, aber doch Rechtsaußen
Im Vorfeld war die „Friedensdemo“ in Düren von „Querdenker*innen“, Verschwörungsideologen, Esoteriker*innen, Impfgegner*innen, Rechtsradikalen, „Reichsbürger*innen“ sowie von der AfD in der Städteregion Aachen beworben worden. Der Anmelder der Versammlung steht der AfD nahe und war schon bei „Spaziergängen“ dabei. Aus eben jenem politischen Spektrum stammte am 25. Februar dann auch das Gros der rund 100 Teilnehmer*innen. Hinzu kamen Funktionäre und Mitglieder aus der Kleinpartei „dieBasis“. Anwesend waren zudem Russlanddeutsche.
Unter letztgenannten war auch ein Kopf der rechtsextremen, geschichtsrevisionistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen „Russlanddeutschen Konservativen“. Der Mann aus Hürtgenwald war vor Jahren noch in der NPD aktiv und fungierte später als Bundesvorsitzender des „Arminius Bundes“. Die inzwischen inaktive Splitterpartei wurde vor Jahren im NRW-Verfassungsschutzbericht ausführlich dargestellt, unter anderem habe sie im „Parteiprogramm das ‚25-Punkte-Programm‘ der NSDAP nicht nur inhaltlich, sondern zum Teil sogar wortwörtlich“ übernommen. Den Livestream über YouTube lieferte eine rechtsradikale, verschwörungsideologische Medienaktivistin aus Düren.
Mit einer „Ami go home!“-Fahne des rechtsextremen „Compact“-Magazins nahm eine kleinere Gruppe von Aktivist*innen teil. Sie verteilten Flyer des Magazins, in denen den USA, der Nato und der Bundesregierung eine Mitschuld am Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gegeben wird. Aufgerufen wird auf dem Flyer dazu, eine Petition zu unterschreiben, die einen „Frieden mit Russland“ fordert. Verteilt wurden ebenso geschichtsrevisionistische, antiamerikanische „Compact“-Broschüren mit einem Auszug aus einer Rede des AfD-Politikers und Rechtsextremen Björn Höcke.
Verschwörungserzählungen am Rande
Eine Teilnehmerin gab sich auf ihrem selbst gemalten Plakat als Teil des „Volk[es]“ aus. Zugleich verbreitete die Frau auf dem Plakat und nach Ende der Versammlung in einem Video-Interview Andeutungen im Sinne der rechtsextremen und antisemitisch konnotierten QAnon-Verschwörungsideologie. Auf ihrem Plakat verwehrte sie sich indes dagegen, als Rechtsradikale in den Medien, die ihrer Meinung nach im Sinne eines „totalitären Regimes“ wirkten, „verleumdet“ zu werden. Im späteren Interview bezeichnete sie die Medien als „Lügenpresse“, die die Wahrheit psychologisch geschickt verdrehen und manipulieren würden.
Einem Redner am Offenen Mikrophon wurde von den Teilnehmer*innen mehrfach laut applaudiert und zugestimmt. Der Senior gab an, vor Jahren ein „stellvertretender Direktor“ bei einer Abteilung respektive bei einer Teilorganisation der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) sowie Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes gewesen zu sein. Er nannte den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk „Goebbels-Funk“ und die Medien „Pseudo-Presse, die von irgendwelchen Scharlatanen bezahlt wird“. Er bezeichnete im verschwörungsideologischen „Reichsbürger“-Duktus die Bundesrepublik als „Pseudo-Staat“, der „im Hintergrund“ geführt werde von „Leuten [… die] davon leben, dass wir uns gegenseitig umbringen.“
Vieles von dem, was wir heute erlebten, sagte der nach eigenen Angaben 77 Jahre alte Senior, sei schon vor Jahren so geplant worden. Er schilderte im geschichtsrevisionistischen Sinne, dass „Ostdeutschland [erst] hinter der Oder“ beginne. Zudem behauptete der Gastredner, unter dem Asow-Stahlwerk in der ukrainischen Stadt Mariupol habe es unterirdische Nato-Stollen gegeben, die bis zu 35 Stockwerke tief in die Erde hinein reichten. In „Laboren“ sei dort „dieses sogenannte Covid“ als „biologische Waffe“ mit erschaffen worden. In der Corona-Schutzimpfung steckten Stoffe, „womit man uns kontrollieren will“, denn jeder Geimpfte habe so eine „eigene IP-Adresse“ erhalten. Die Quasi-Moderatorin und Hauptrednerin dankte dem Mann danach für seinen „Beitrag“.
False Flag der AfD?
Anders als ähnliche Versammlungen in Aachen, bei denen sich im Sinne einer Querfront Teilnehmer*innen von Links- bis Rechtsaußen treffen, dominierte in Düren am Samstag das rechte Spektrum. Eine Gruppe mit Fahnen und Schildern in der Farbgebung der Friedensbewegung – helle Friedenstaube auf blauem Grunde – trug zugleich ein Banner mit der Aufschrift „Das ist nicht unser Krieg!“ Gehalten war es in den Reichsfarben Schwarz, Weiß und Rot, die auch „Reichsbürger*innen“ und Rechtsextreme als codiertes Erkennungszeichen verwenden.
Organisatorisch involviert waren AfD-Leute aus der Städteregion und Düren. Anwesend waren Funktionäre der beiden Verbände, darunter solche aus Düren, Baesweiler, Eschweiler und Würselen. Überdies waren Ratsmitglieder aus Düren (3) und Eschweiler (2) anwesend. Der AfD-nahe Anmelder wurde von einem AfD-Funktionär aus Eschweiler unterstützt, der wiederum gemeinsam mit der rechtsradikalen YouTuberin (s.o.) die Lautsprecherbox reparierte, nachdem diese vom Wind umgeworfen worden war.
Die Hauptrednerin und Quasi-Moderatorin ist ebenso eine AfD-Anhängerin. Sie sei als „Mutter und als Großmutter“ bei der Kundgebung dabei, sagte die Frau. Zwar kritisierte sie in ihrer langen Rede auch Putin, relativierte gleichwohl immer wieder dessen Rolle im Ukraine-Krieg und kritisierte USA, Nato, die Ukraine und deren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Sie wies zudem vage auf „Mächte“ hin, „die hintenrum die Fäden spinnen“. Dies seien „dunkle Mächte“, demgegenüber seien „wir“ das „Volk“ und würden von solchen „Mächten“ in Kriege getrieben, die nicht „unsere“ seien.
Auch andere AfD-Mitglieder wollten nur privat zugegen sein. Im Endeffekt prägten die Parteimitglieder und -anhänger*innen zwar maßgeblich die Versammlung. Zugleich blieb die Partei aber unsichtbar, weil auf Fahnen oder Parteiembleme verzichtet wurde. Prominente Redner*innen der Partei traten ebenso nicht auf. Zunächst hatte es Vermutungen gegeben, dass solche vorstellig werden könnten. Am Abend zuvor hatte die AfD in Eschweiler nämlich einen Vortragsabend mit sechs angereisten Politiker*innen abgehalten, die überwiegend aus dem neurechten und völkischen Spektrum stammen.
Angekündigt wurde von dem Anmelder der Versammlung in Düren, man wolle künftig monatlich eine solche abhalten. Vergangenen Samstag demonstrierten derweil rund 70 Menschen gegen die rechte „Friedensdemo“. Unter ihnen waren auch Lokalpolitiker und die Bundestagsabgeordneten Thomas Rachel (CDU) und Dietmar Nietan (SPD). (mik)