Kommunalwahlen in der Region: AfD sichert sich trotz Schwächen neue Mandate

Region Aachen. Nach den Kommunalwahlen am 13. September hat sich die Anzahl der Mandatsträger von Parteien, die politisch rechts der CDU stehen, vervielfacht. Dessen ungeachtet wurde mit Blick auf die „Alternative für Deutschland“ (AfD) klar, dass ihr auf lokaler und regionaler Ebene die Basis fehlt. Sie konnte, obschon sie sich als Stimme des Volkes darstellt, nur in einem kleinen Teil der Kommunen zur Wahl antreten. An der Corona-Pandemie lag das weniger, tatsächlich fehlen der Partei Mitglieder und Nicht-Mitglieder, die sich in einzelnen Wahlbezirken für die AfD aufstellen lassen.

Der Wahlkampf selbst fand wegen entsprechender Hygiene-Vorschriften und Schutzmaßnahmen anders statt, als man es bisher gewohnt war. Podiumsdiskussionen mit Kandidat/innen waren selten oder fanden nur virtuell statt. Über die sozialen Medien und Plakataktionen wurde versucht, Wähler/innen anzusprechen. Gab es bei den vergangenen Wahlkämpfen schon seltener AfD-Infostände als bei den meisten anderen Parteien, schienen diese nun noch seltener geworden zu sein. In Aachen hatten AfD sowie der Oberbürgermeister- und Spitzenkandidat, Markus Mohr, kurz vor der Wahl gezielt Wahlbriefe verschickt. Adressen waren dafür legal beim Einwohnermeldeamt abgefragt worden, gleichwohl zeigten sich manche Empfänger erbost über die Aktion, zumal die AfD Aachen dafür bekannt ist deutlich weit rechtsaußen zu stehen.

Die „flächendeckenden“ Ergebnisse

Sah es am Wahlabend zuerst noch so aus, dass die AfD in Aachen eine Ratsfraktion hätte bilden können, trat das letztlich nicht ein. Nach den vorläufigen amtlichen Endergebnissen wählten 3.816 Aachener/innen die Partei (3,75%). Die bisherigen Vertreter der Ratsgruppe „Allianz für Aachen“ (AfA), Aachens AfD-Chef Mohr und der frühere „Pro NRW“-Spitzenfunktionär Wolfgang Palm, dürften deswegen als Gruppe weiterarbeiten. Bei der Wahl zum OB gaben 3.387 Aachener/innen Mohr ihre Stimme (3,32%). Überdies gelang es der AfD mit je einem Sitz in vier Bezirksvertretungen einzuziehen.

Bei der Wahl zum Städteregionstag wählten 11.217 Menschen die AfD (4,89%). Bis kurz vor Ende der Auszählungen sah es so aus, dass die Partei vier Sitze erzielen könnte. Letztlich blieb es bei drei Mandaten. Wahrnehmen werden sie der gescheiterte Kandidat bei den Wahlen zum Städteregionsrat, der Bundespolizist Markus Matzerath, sowie zudem der Aachener Sascha Mohr und der Stolberger Hans Wolf. Im Kreistag Düren sitzen künftig vier AfD-Mandatsträger, 7.491 Menschen wählten sie (6,38 %). Wolfgang Kochs holte bei der Wahl zum Landrat 8.697 Stimmen (7,42%). Im Kreistag Heinsberg konnte die AfD ihre beiden Sitze dank 4.857 Wähler/innen halten (4,32%).

Regional gesehen erzielte die AfD in Alsdorf ihr bestes Ergebnis mit 1.575 Stimmen (9,27%) und vier Sitzen im Rat, die unter anderem zwei Polizisten wahrnehmen werden. Weniger erfolgreich war Bürgermeister-Kandidatin Lena Klein (1.260 Stimmen, 7,35%). In Stolberg zieht die Partei mit drei Vertretern in den Rat ein (1.473 Stimmen, 7,03%). Der im Vorfeld siegessicher auftretende AfD-Stadtverband Eschweiler, dessen Chef Michael Winterich zuvor getönt hatte, man hoffe auf über zehn Prozent und ergänzte, alles was unter sechs Prozent läge sei „sehr schlecht“, landete düpiert bei 4,09% (967 Stimmen). Offenbar war die Konkurrenz der populistischen Wählerinitiative „Basis“ zu groß, die von 1.679 Menschen gewählt wurde (7,10%). Künftig wird diese vier und die AfD zwei Sitze im Rat haben.

In Düren-Stadt stimmten 2.111 Wähler/innen für die AfD (7,10%), dort werden nun vier Lokalpolitiker der Partei dem Rat angehören. In Heimbach wählten 144 Menschen die AfD (6%), sie erzielt ein Mandat. In Heinsberg-Stadt stimmten 696 Wähler/innen für die AfD (3,69%, zwei Sitze). Stadt und Kreis Heinsberg sind für die Partei damit neben Eschweiler zu einem Debakel geworden, regional aber auch mit Blick auf andere Teile NRWs. Im Vorfeld hatte sogar eine AfD-nahe Facebook-Seite aus Heinsberg dazu aufgerufen, dort die Partei nicht zu wählen. Sie sei überaltert, es gehe den Funktionären nur um Posten und Macht, hieß es dazu.

Zwar zeigte sich nach der Wahl die Landes-AfD stolz auf etwaige Erfolge. Landeschef Rüdiger Lucassen verbreitete sogar, seine Partei sei nun eine „kleine Volkspartei“ geworden und sei „flächendeckend in ganz NRW angetreten“. Das war aber mehr Eigenlob als Realität. Im Kreis Düren etwa trat die AfD zur Wahl des Kreistages und in zwei Städten an. Das waren lediglich zwei Kommunen von insgesamt fünfzehn. Im Kreis Heinsberg trat man zur Wahl des Kreistages und jener in Heinsberg-Stadt an, also in einer von zehn Kommunen. Neben der Kandidatur zum Städteregionstag trat die AfD in vier Städten an. Das waren vier Kommunen von insgesamt zehn in der Städteregion. Tatsächlich hat die AfD also keinen flächendeckenden Unterbau.

Der heterogene, uneinheitliche Wahlkampf

Die AfD präsentierte sich im Wahlkampf regional gesehen uneinheitlich – zumindest was Außenwirkung und Strategie anbelangte. Die AfD in Heinsberg oder in Heimbach fiel kaum durch virtuellen Wahlkampf auf, andere Verbände praktizierten einen solchen sehr viel umfangreicher und selbstbewusster mit Postings und Videos. Die Grenzen zwischen Populismus, Rechtsradikalismus und Neue Rechte – eine intellektuelle Spielart des Rechtsextremismus – verschwammen dabei lokal und regional gesehen.

Völkisch-nationalistisch und neurechts trat etwa die AfD in Aachen mit einem Trio an, bestehend aus dem früher dem rechtsextremen „Flügel“ nahestehenden Mohr, dem ehemaligen „Pro NRW“-Spitzenfunktionär Palm sowie einem neurechten Troll und Musiker in einer „nordischen“, heidnischen Black Metal-Band, in der auch ein Neonazi mitspielt(e). Dieser AfD-Kandidat auf Listenplatz 3 für den Aachener Stadtrat hatte zum Flügelstreit etwa Wochen zuvor einen Tweet abgesetzt, in dem er Bundesparteichef Meuthen mit „Nattern“ verglich und „Spalter raus!“ forderte.

In Heinsberg deckte die Lokalpresse auf, dass 12 der 27 Kandidat/innen der AfD in den Wahlbezirken zum Kreistag und 13 der 19 Bewerber/innen für die Wahl zum Stadtrat russischen oder osteuropäischen Migrationshintergrund hatten. In Eschweiler machte die AfD Schlagzeilen, weil in ihrem Programm die Abschaffung und Auflösung von „Mischehen“ gefordert wurde. Nachdem dies bekannt geworden war hieß es vonseiten der Partei, dies sei ein Fehler, der Programmentwurf habe so nie auf der Homepage publiziert werden sollen. Tatsächlich war der Text dort aber länger abrufbar gewesen und in den sozialen Medien thematisiert worden.

Anders als bei den anderen AfD-Verbänden konnte jener in Eschweiler auch nicht in allen Wahlbezirken antreten, hinzu kamen unvollständige Unterlagen zu zwei Kandidaten, weswegen der Wahlausschuss diese nicht zuließ. Sehr früh war die AfD in Stolberg an die Öffentlichkeit getreten und hatte angekündigt, in der Kupferstadt zur Wahl anzutreten. Strategisch gesehen bemühte sich die Partei seriös, zuweilen virtuell auch jugendlich und frech aufzutreten. Im Hintergrund wirkten AfD-Mitglieder oder Unterstützer mit, die sich mit Medien, Werbung und strategischen Auftritten beruflich und professionell beschäftigen. Dass dabei dabei der Schein auch trügen konnte, zeigte das Facebook-Profil der Tierschutzbeauftragten der AfD Städteregion, zugleich Kandidatin in Stolberg.

Bemüht, den Tierschutz propagandistisch zu nutzen, befanden sich auf dem Facebook-Profil der Frau zeitweise zugleich auch menschenverachtende, fremden- und islamfeindliche Kommentare bis hin zu Mordaufrufen gegen Regierung und Politiker/innen, die man „schächten“ müsse – gepostet alles von „Freunden“ der Frau. Auch in anderen Fällen fielen AfD-Kandidat/innen oder lokale Unterstützer/innen durch radikale und geschichtsrevisionistische Postings oder Kommentare in den sozialen Medien auf. Deutlich wurde dabei, dass sich nicht nur die Basis oder Wähler/innenschaft der Partei in den letzten Jahren radikalisiert hat und teils verroht ist, sondern längst auch Teile der Kandidat/innen und Funktionäre nun so auftreten.

In Alsdorf trat die AfD mit der parteilosen, gleichwohl eng mit der AfD verbandelten Lena Klein zur Bürgermeisterwahl an. Flankiert wurde der Antritt durch die beiden Polizisten Markus Matzerath und Norbert Dovern als Spitzenkandidaten für den Stadtrat. Klein war das nette Gesicht in Medienberichten, entsprach nicht dem ruppigen Verhalten manch anderer pöbelnder AfD-Politiker/innen. Gleichwohl fiel Klein im beginnenden Wahlkampf auch durch dubiose Kommentare und Postings in den sozialen Medien auf, die eine Nähe zu Verschwörungsmythen aufzeigten oder in denen sie angab, angesichts der Pandemie keine Mund-Nasen-Schutzmasken zu tragen. Nachdem manches davon dokumentiert worden war und der schöne Schein bröckelte, hielt sich die Kandidatin in den sozialen Medien zurück.

Überschattet wurde der Wahlkampf der AfD durch eine mutmaßlich islamistische Messer-Attacke in Stolberg wenige Stunden vor Öffnung der Wahllokale. Der Vater des 23-jährigen Opfers war auf einem Facebook-Posting der AfD zu sehen, auf dem vier türkisch stämmige Migranten in die AfD-Werbung eingebunden waren. Das Bild zeigte den Stolberger AfD-Chef Wolf beim gemeinsamen Teetrinken unter der Überschrift: „Auch Deutsch-Türken wollen Veränderung!“ Der Täter, der später den Sohn von einem der abgebildeten Männer angriff, attackierte offenbar den 23-Jährigen weil der Vater Werbung für eine „islamfeindliche Partei“ machte.

Der Streit darüber, ob die AfD berechtigt war mit dem Foto zu werben oder eine Einwilligung der abgebildeten Personen zur Veröffentlichung fehlte, dauert derzeit an. In dem unterdessen gelöschten Posting hieß es neben dem Foto, AfD-Vertreter hätten sich „mit Deutsch-Türken in verschiedenen Stadtteilen unterhalten: Auch hier treffen wir auf Stolberger, die sich endlich eine Veränderung wünschen!“ Auch sie seien gegen „Vermüllung“ und „Ratten […] in Seitenstraßen“ und die AfD wolle mit diesen Anwohnern und Geschäftsleuten aus der türkischen Community gemeinsam die Probleme lösen. Nach der Bluttat und dem Streit um die Bildrechte dürfte dies nun schwerfallen.

Der rechtsextreme Rand punktet in Hückelhoven

Im Vorfeld der landesweiten Kommunalwahlen hatte es Kooperationsgespräche zwischen Vertretern der NPD und der neonazistischen Partei „Die Rechte“ (DR) gegeben. Statt in einzelnen Kommunen gegeneinander anzutreten, wollte man teilweise mit gemeinsamen Listen antreten. Federführend war dabei die NPD im Kreis Heinsberg und in Hückelhoven. Hier trat offiziell immer die NPD zur Wahl an, gleichwohl unterstützt in beiden Fällen von aktiven oder ehemaligen Vertretern der DR oder der kameradschaftsähnlichen DR-Untergruppe „Syndikat 52“ (S52) als Kandidaten.

In Hückelhoven und dem Kreis Heinsberg kandidierte in einem Wahlkreis für die NPD sogar ein Neonazi von S52, der wegen antisemitischer Gesänge justizbekannt ist, sich bei einem entsprechenden Prozess im April 2019 aber als Aussteiger präsentiert hatte. Bei sieben anderen Kandidat/innen gab es Unregelmäßigkeiten. Sie wollten von der Kandidatur zurücktreten, was allerdings nicht mehr möglich war. Die „Rheinische Post“ berichtete später, es gebe Gerüchte, dass diesen meist noch sehr jungen Kandidat/innen angeblich zuvor 15 Euro angeboten worden seien, sollten sie kandidieren.

Die NPD fiel im Wahlkampf lediglich mit kleineren Plakataktionen auf, einen virtuellen Wahlkampf führte sie nicht und über Infostände wurde bisher nichts bekannt. Bei der Wahl zum Kreistag erzielte die NPD 577 Stimmen (0,51%). Ihr Mandat in Hückelhoven konnte sie respektive der bisherige Ratsmann Helmut Gudat halten. Für die auf Landesebene weitestgehend marginalisierte Partei holte man dort das landesweit beste Ergebnis mit 417 Stimmen (2,75%). Der NPD-Bürgermeisterkandidat in Hückelhoven, Johannes Schöfisch aus Düsseldorf, wurde 399 Mal gewählt (2,63%). Auch das war landesweit das beste Ergebnis unter den wenigen NPD-Kandidat/innen, die als Bürgermeister, Landrat oder Oberbürgermeister/in antraten.

In Stolberg, bisher eine Hochburg der Partei in NRW, trat die NPD nicht mehr zur Kommunalwahl an. Der Chef des Kreisverbandes Aachen, Willibert Kunkel, will zwar durch seine umfangreichen Facebook-Aktivitäten Glauben machen, dass er und sein Verband handlungsfähig sind, gleichwohl ist er das im realen Leben nicht mehr. Bei den Kommunalwahlen 2014 waren in der Region zudem unter anderem noch „pro NRW“, der rechtsextreme „Arminius Bund“ und die Partei „Die Republikaner“ (REP) vereinzelt in unterschiedlichen Kommunen zur Wahl angetreten. Alle haben sich unterdessen entweder aufgelöst oder sind irrelevant geworden. (mik)