„Goyim Partei“: Mann aus dem Dreiländereck war Betreiber eines antisemitischen Netzwerkes
Region Aachen/Berlin. Ein Mann aus Heerlen, dessen Familie irakische Wurzeln hat und der zeitweise in Aachen lebte, war Gründer und Betreiber eines antisemitischen virtuellen Netzwerkes. Nach fast einem Jahr Prozessdauer hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf den Heerlener mit deutscher Staatsbürgerschaft zu fünf Jahren Haft verurteilt – wegen Gründung der rechtsextremistischen Vereinigung „Goyim Partei“ und zahlreicher Volksverhetzungsdelikten.
Begonnen hatte der Prozess Ende Juli 2021. Auf der Anklagebank saß als mutmaßlicher Drahtzieher Fadi J. (38) aus Heerlen. Mit Marcus B. (61) aus Berlin soll J. auch die inhaltliche Ausrichtung der virtuell agierenden kriminellen Vereinigung bestimmt haben. Angeklagt war neben den beiden auch Christian B. (39) aus Duisburg als Mitglied im „Goyim-Netzwerk“.
Das OLG stellte dazu am vergangenen Freitag im Urteil fest, das Trio habe über Internetplattformen vor allem antisemitische Inhalte verbreitet. Neben J. erhielt der Berliner eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Gegen den Duisburger verhängte das OLG eine Haftstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung.
Heerlen, die Quasi-„Parteizentrale“ und ihr virtueller Führer
Auch wenn man als „Internationale Goyim Partei“ oder „Goyim Partei“ auftrat, war die Vereinigung nur ein virtuelles Netzwerk. Der Begriff „Goyim“ ist der Plural des hebräischen Wortes „Goi“, die Bezeichnung für einen nicht jüdischen Menschen. Über Internetplattformen, unterteilt in Ländergruppen und Untergruppen wie eine „Mediathek“ und eine „Dating Community“ verbreitete man antisemitische, nationalsozialistische und volksverhetzende Inhalte. Die „Goyim Partei Deutschland“ (GPD) war dabei ein virtuelles Sammelbecken von Neonazis, „Reichsbürger*innen“ und anderen Personen, die Jüdinnen und Juden hassen.
Die Familie von Fadi J. hat irakische Wurzeln. Er selbst wurde in Deutschland geboren und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. Schon Ende der 1990er Jahre zog er als Jugendlicher mit seinen Eltern von Aachen aus nach Kerkrade. Später wechselte er den Wohnort in das benachbarte Heerlen. Er soll von dort aus das Netzwerk ab 2014 auf verschiedenen Internetplattformen aufgebaut und betrieben haben. Löschten Serveranbieter, Webhosting-Dienste oder Netzwerke Inhalte, so wechselte man zu anderen Diensten und Anbietern.
Im Zuge einer Großrazzia der Polizei in Deutschland wegen des „Goyim-Netzwerks“, gingen die Behörden in den Niederlanden Mitte 2020 auch gegen J. vor. Er wurde in Heerlen festgenommen und wollte danach seine Auslieferung nach Deutschland verhindern. Sein Anwalt betonte, J. lebe seit mehr als zwanzig Jahren in der Provinz Limburg und müsse daher auch in den Niederlanden wegen der dort begangenen Taten angeklagt werden. Letztlich wurde er dennoch ausgeliefert und musste sich vor dem OLG verantworten.
Die Internationale des Antisemitismus
Seit 2014 wuchs das Netzwerk unter dem Label „Internationale Goyim Partei“ oder „Goyim Partei“. Um den Anschein einer weltweit aktiven politischen Bewegung zu erzeugen und hierdurch weitere Anhänger zu gewinnen, hatte J. die Idee mit den Parteinamen. Im Zuge der Corporate Identity waren Namen- und Farbgebung sowie Symbolik teilweise an Nazideutschland und die NSDAP angelehnt. Ländergruppen traten als „British Goyim Party“ (BGP) oder „Sveriges Gojim Arbetareparti" (SGAP) auf.
Die SGAP ist bis heute mit einer seit 2016 nicht mehr aktualisierten Homepage präsent, wobei auf der Seite lediglich die antisemitische Hetzschrift und Fälschung „Protokolle der Weisen von Zion“ abrufbar ist. So diente das gesamte „Goyim-Netzwerk“ überwiegend zur Verbreitung offen antisemitischer, rassistischer sowie den Nationalsozialismus verherrlichender Botschaften. Sowohl Internetseiten als auch Chats und Seiten in den sozialen Medien sowie dem russischen Netzwerk VK.com gehörten dazu.
Fadi J. und Marcus B. übernahmen die organisatorische, technische und inhaltliche Steuerung. Zudem veröffentlichten beide auch selbst zahlreiche volksverhetzende Beiträge, ebenso wie der Mitangeklagte aus Duisburg. Zu den Posts gehörten unter anderem auch viele Beiträge, die den Holocaust leugneten, Verbrechen der Nationalsozialisten billigten oder zum Mord an Menschen jüdischen Glaubens aufriefen. Gleichwohl kooperierten im „Goyim-Netzwerk“ Antisemit*innen miteinander, die auf den ersten Blick politisch nicht wirklich zueinander passen wollten.
Vom bewaffneten Kampf zum virtuellen Judenhass
Marcus B. aus Berlin stieß zu J., als dieser schon die Anfänge des Netzwerkes aufgebaut hatte. B. war seit Jahrzehnten in der militanten und Waffen-affinen Neonazi-Szene aktiv. Der heute 61-Jährige hatte in den 1990er Jahren Kontakte zu dem berüchtigten Neonazi-Rocker Arnulf Priem und zum neonazistischen Polizistenmörder Kay Diesner. Ähnlich wie Priem musste auch B. Mitte der 1990er Jahre eine Haftstrafe absitzen, etwa wegen „Bildung eines bewaffneten Haufens“ und Propagandadelikten.
Der wie Priem selbst lange Haare und nicht selten Bart tragende B. engagierte sich Jahre später im Umfeld der Berliner NPD. B. war etwa auf einem Foto zu sehen, auf dem er bei einer NPD-Kundgebung am Kanzleramt im April 2018 nahe dem damaligen und heutigen NPD-Bundesvorsitzenden Frank Franz steht. Franz hält dabei eine Rede. Andere Fotos zeigen B. unter anderem auch 2011 und 2016 bei NPD-Aktionen. B. beteiligte sich zudem 2017 an einer Solidaritäts-Kundgebung für den Antisemiten Horst Mahler. (mik)