Antisemitische Internationale: Prozessbeginn am Oberlandesgericht Düsseldorf

Heerlen/Aachen/Düsseldorf. Am Oberlandesgericht Düsseldorf beginnt am 29. Juli der Prozess gegen zwei Männer, die die überwiegend virtuell agierende rechtsextremistische Vereinigung „Internationale Goyim Partei“ mit gegründet haben sollen. Überdies sollen sie und ein dritter Angeklagter als Mitglieder über Internetplattformen antisemitische, nationalsozialistische und volksverhetzende Inhalte verbreitet haben. Angeklagt ist dabei auch ein 37-Jähriger mit irakischen Wurzeln, der als Kind in Aachen lebte und das Netzwerk von Heerlen aus betrieben haben soll.

Maßgeblich der 37-Jährige soll von den Niederlanden aus die technische Infrastruktur geschaffen haben. Unter anderem gemeinsam mit einem 60-Jährigen aus Berlin soll der Heerlener auch die inhaltliche Ausrichtung der Vereinigung bestimmt haben. Ein 38-Jähriger aus Duisburg soll laut Anklagebehörde in erheblichem Umfang antisemitische Inhalte in das „Goyim-Netzwerk“ eingestellt haben. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied in der kriminellen Vereinigung gewesen zu sein, die beiden anderen sollen diese hingegen gegründet und als Rädelsführer fungiert haben.

Neonazis, „Reichsbürger*innen“ und andere Judenhasser

Die Bundesanwaltschaft war Mitte 2020 gegen das „Goyim-Netzwerk“ vorgegangen, die beiden mutmaßlichen Initiatoren wurden dabei in Haft genommen. Der Begriff „Goyim“ leitet sich dabei von „Goi“ ab, ein jiddisches Wort, das nichtjüdische Menschen bezeichnet. Gleichwohl steckte hinter der „Goyim Partei“ keine reguläre Partei. Vielmehr diente der Namen als Label, unter dem sich etwa bei den deutschen Anhänger*innen überwiegend Neonazis, „Reichsbürger*innen“ und andere Judenhasser virtuell vernetzt und ausgetauscht haben.

Eine Homepage der Gruppe war Mitte 2020 nicht mehr erreichbar gewesen. Unterschiedliche Plattformen und Foren im russischen sozialen Netzwerk VK.com dienten allerdings dazu, offen nationalsozialistische sowie aus der NSDAP-Propaganda her bekannte, judenfeindliche Inhalte zu verbreiten. Auf solchen unterschiedlichen Internet-Präsenzen des „Goyim-Netzwerkes“ wurden der Holocaust geleugnet und die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes verharmlost. Es wurde zur Tötung jüdischer Menschen aufgerufen.

Im Zuge der Razzia 2020 wurden laut Bundesanwaltschaft die Wohnungen der beiden mutmaßlichen Administratoren in Heerlen und Berlin sowie die von sechs weiteren Beschuldigten in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland durchsucht. Die Männer aus Heerlen und Berlin sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Der Heerlener war dabei im August 2020 von den niederländischen Behörden ausgeliefert worden.

Aufbau der „Internationalen Goyim Partei“

Dem Heerlener wirft die Anklagebehörde vor, dass er ab dem Jahr 2014 im Internet ein länderübergreifendes Netzwerk aufgebaut haben soll, um weltweit antisemitische Hetze zu verbreiten. Hierzu habe er bei verschiedenen Internetplattformen eine Infrastruktur aufgebaut, die aus der Seite „Internationale Goyim Partei“ (IGP), aus mindestens 29 „Goyim-Ländergruppen“ sowie aus mehreren Foren bestanden haben soll.

Betreiber der Plattformen sperrten oder löschten indes Seiten, Kanäle und Foren wieder. 2016 wurde dann auf VK.com eine ähnliche Struktur aufgebaut. Parallel zum Aufbau dieser technischen Infrastruktur soll eine reale Vereinigung gegründet worden sein, um fortan gemeinsam das „Goyim-Netzwerk“ betreiben und administrieren zu können. Mitte 2020 waren am Tag der Festnahmen und Hausdurchsuchungen noch mehrere Seiten und Foren bei VK.com abrufbar. Aktuell findet man dort nur noch Reste des Netzwerkes, etwa Profile und Foren von den seit rund einem Jahr inaktiven Ländergruppen in Kanada, Neuseeland, Indien oder Kolumbien. Online sind auch noch eine „Mediathek“ und eine „Dating Community“ des „Goyim-Netzwerks“.

Die Internationale des Antisemitismus

Bisher sind laut Oberlandesgericht Düsseldorf für den Prozess dreißig Verhandlungstage bis Januar 2022 terminiert. Schon jetzt zeigen die Ermittlungen gleichwohl, dass der Hass auf Jüdinnen und Juden politische Aktivist*innen mit sehr unterschiedlichen Lebensläufen verbunden hat (siehe dazu auch: Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in der Migrations-Gesellschaft Aachens). So berichtete der „Tagesspiegel“ über den nun angeklagten Berliner, dieser sei „schon vor Jahren in der Szene der Berliner Neonazis unterwegs“ gewesen und sei als Mann mit langen Haaren „mit seinem Fanatismus von den meist kahlköpfigen ‚Kameraden‘ akzeptiert“ worden.

Laut „Aachener Nachrichten“ und „1Limburg“ hat die Familie des Hauptbeschuldigten eine irakische Zuwanderungsgeschichte. Der 37-Jährige selbst wurde demnach in Deutschland geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. 1997 zog er als Jugendlicher mit seinen Eltern von Aachen nach Kerkrade und später nach Heerlen um, wo er als Erwachsener ein Haus gekauft haben soll. Im Zuge der Razzia wurde er im Juli 2020 auch in Heerlen festgenommen. Danach wollte er seine Auslieferung nach Deutschland verhindern und wehrte sich dagegen mit der Behauptung, dass er die Haft in Deutschland nicht überleben werde, weil ihn Isolationshaft und Folter erwarte.

Sein Anwalt betonte indes, der Beschuldigte lebe seit mehr als zwanzig Jahren in der Provinz Limburg und müsse daher auch in den Niederlanden angeklagt werden wegen dort begangener Taten. Der heute 37-Jährige hatte demnach in Heerlen an einer Universität gearbeitet und in Südlimburg studiert. Der Hass auf Jüdinnen und Juden und entsprechende Verschwörungsmythen gingen im „Goyim-Netzwerk“ überdies so weit, dass man im Jahre 2017 die AfD wegen vereinzelter Israel-Solidaritätsbekundung als Teil einer „jüdischen Weltverschwörung“ einstufte. (mik)