Rechtsextremismus-Anfrage im Landtag: Die Region wird mehrfach erwähnt

Düsseldorf/Region Aachen. Die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat eine Große Anfrage an die Landesregierung zum Thema Rechtsextremismus in NRW gerichtet. In der nun veröffentlichten, rund 130 Seiten umfassenden Antwort werden auch Parteien, Gruppen und Rechtsextremisten erwähnt, die in der Region Aachen, Düren und Heinsberg aktiv sind. Punktuell dazu Anmerkungen.

In der Antwort werden rechtsextreme Straftaten genannt, die mehreren Phänomenen zuzurechnen sind. Beispielsweise ist die Neonazi-Gruppe „Syndikat 52“ (S52) eine Untergruppierung des Kreisverbandes Aachen/Heinsberg der neonazistischen Partei „Die Rechte“ (DR). In den aufgelisteten Straftaten in der Antwort erscheinen dabei solche, die von Mitgliedern beider Organisationen begangen werden, auch doppelt. Zugleich werden nur Straftaten aufgelistet, die definitiv Mitgliedern von Gruppen oder Parteien zugerechnet werden können. Bestand nur der Verdacht, dass Mitglieder hinter anderen Straftaten stecken könnten, sind diese in den Listen nicht erwähnt. Die Grauzone, etwa bei Sachbeschädigungen oder Sprühaktionen, dürfte nicht unerheblich sein.

„Die Rechte“ und das „Syndikat 52“

NRW-weit hat die Landesregierung Straftaten aufgezählt, die Mitgliedern der neonazistischen Partei „Die Rechte“ (DR) zugeordnet werden. Obwohl sich die Partei erst 2012 gründete, wurden gleichwohl Straftaten von späteren Parteimitgliedern bis zurück ins Jahr 2008 aufgelistet. Daraus ergeben sich seitdem 378 Straftaten landesweit. Eine der ersten aufgelisteten Taten eines späteren DR-Mitglieds war eine Volksverhetzung, begangen am 8. November 2008 in Heinsberg. Von den aufgezählten Delikten, die Parteimitglieder begangen haben, trugen sich gleichwohl nur acht in der Region zu. NPD-Mitgliedern werden in der Region sieben Delikte zugeschrieben, wobei einigen davon identisch mit jenen sind, die auch der DR zugeschrieben werden. Offenbar betrifft dies Straftaten, in die sowohl Mitglieder der einen als auch der anderen Partei involviert waren (Stichwort: Versammlungen).

Die geringe Anzahl von Straftaten, die regional der DR (und/oder der NPD) zugerechnet werden, ist wahrscheinlich damit zu erklären, dass zahlreiche andere Straftaten Vertretern des „Syndikat 52“ (S52) angelastet werden. Die Entstehung der Gruppe als indirekte Nachfolgeorganisation der 2012 verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), legal abgesichert unter dem Dach der Partei DR, wird ausführlich dargestellt. Die Gruppe sei 20 bis 30 Personen stark und in der ganzen Region aktiv. Sie sei landesweit vernetzt mit anderen Neonazis und Vertretern aus der Musik- und Kampfsportszene. Ein Mitglied verfüge über einen „Kleinen Waffenschein“ und darf demnach Schreckschuss- oder Gaswaffen bei sich führen. Einer Person aus dem Umfeld von S52, die auch als Kämpfer bei dem neonazistischen Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ (KdN) fungierte, wird eine Körperverletzung im Mai 2018 in Würselen vorgeworfen.

Hingewiesen wird bis Mitte 2019 auf 35 Straftaten, die nachweisbar S52-Mitglieder überwiegend in Aachen und im Kreis Heinsberg begangen haben, darunter neben klassischen Szene-Delikten wie Volksverhetzung oder Verwendung verbotener Kennzeichen (etwa Hakenkreuze) auch Erpressungen. Ein Teil der Straftaten wird auch Mitgliedern der DR zugerechnet (s.o.). Nicht aufgelistet, jedoch im Text erwähnt wird unter anderem die Schändung des jüdischen Friedhofes in Geilenkirchen Ende 2019 durch mutmaßlich zwei S52-Mitglieder (aus Gangelt). In Gangelt selbst war es Mitte Juli 2019 schon zur Schändung des dortigen jüdischen Friedhofes gekommen. Tappten die Ermittler hier zuerst im Dunkeln und konnten nur vermuteten, dass die in Geilenkirchen gestellten Tatverdächtigen ebenso mit der Schändung in Gangelt zu tun haben könnte, könnte dieser Verdacht sich nun verfestigt haben. Im Umfeld des Tattages und dem Tatort Gangelt werden nun mehrere passende Delikte S52 zugerechnet.

Die „Vielfalt“ am rechten Rand

In der Antwort der Landesregierung werden weitere Gruppen und Institutionen genannt, die mit Rechtsradikalen und Rechtsextremisten aus der Region kooperiert haben oder weiter kooperieren („Identitäre Bewegung“, „Mönchengladbach steht auf“, „Patrioten NRW“, „NRW stellt sich quer“, „Pegida NRW“, „Institut für Staatspolitik“, „Alternativer Kulturkongress“, „Alternativer Wissenskongress“, „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“). Gleichwohl werden diese Kooperationen in den entsprechenden Passagen nicht eigens erwähnt. Ausführlich wird zudem ohne regionale Bezüge auf die heterogene, zersplitterte und zum Teil rechtsextreme Szene der „Reichsbürger“ eingegangen. Beleuchtet werden hingegen Medien der Szene sowie rechtsextreme Musiker und Konzerte, wobei Angaben dazu die Region betreffend teilweise unvollständig sind.

Rechtsextreme Russlanddeutsche

Eingegangen wird in der Antwort der Landesregierung zudem auf ein Netzwerk aus Vorfeldorganisationen und Splittergruppen im Spektrum rechtsextremer Russlanddeutscher. Ein Mann, der in dieser Szene gut vernetzt ist, lebt in Hürtgenwald im Kreis Düren. Er war führender Vertreter des „Arminius Bundes des deutschen Volkes“, eine unterdessen offenbar inaktiv gewordene Miniaturpartei. Sie war hervorgegangen aus der Gruppierung „Arbeitskreis Russlanddeutscher in der NPD“. In Nordrhein-Westfalen existier(t)en nur zwei Kreisverbände des „Arminius Bundes“ in Düren und im Oberbergischen Kreis. Insgesamt rechnen die Behörden der Kleinstpartei, die sich an der NSDAP-Programmatik anlehnte, in NRW nur 15 Personen zu. Diese seien zum Teil aber weiterhin gut vernetzt.

Insbesondere der führende Strippenzieher aus Hürtgenwald, dessen Wohnort die Landesregierung nicht nennt, pflegt laut der Antwort vielfältige Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Organisationen, wie zum Beispiel zu der NPD, dem mittlerweile aufgelösten Netzwerk von Holocaust-Leugnern namens „Europäische Aktion“ und dem Herausgeber der rechtsextremistischen Zeitschrift „Recht und Wahrheit“. Selbst betreibt der Personenkreis um den Hürtgenwalder die rechtsextremistische Zeitschrift „Die Russlanddeutschen Konservativen“. Diese veranstaltete 2018 und 2019 Lesertreffen im Oberbergischen Kreis mit unterschiedlichen Vertretern des rechtsextremen, geschichtsrevisionistischen und den Holocaust bestreitenden Spektrums. Solche Treffen zielten laut Landesregierung darauf ab, den Diskurs innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu fördern und Personen aus unterschiedlichen Organisationen zu vernetzen. (mik)