Bericht: Aachener Friedenspreis ehrt „Omas gegen Rechts“
Aachen. Der Aachener Friedenspreis wird in diesem Jahr an eine Jugendinitiative für Menschenrechte auf dem Balkan und an das Netzwerk der „Omas gegen Rechts“ (OgR) verliehen. Die Mitglieder des Vereins haben die Preisträgerinnen und Preisträger für das Jahr 2024 im Mai gewählt. Beide wurden am 15. Mai dann in einem Pressegespräch bekannt gemacht. Die Jugendinitiative auf dem Balkan nennt sich „Youth Initiative for Human Rights“, also Jugendinitiative für Menschenrechte, kurz YIHR.
YIHR bietet in Serbien, Kroatien, Montenegro, dem Kosovo, Bosnien und Herzegowina Programme für Jugendliche an. Damit fördere, so der Friedenspreis in einer Stellungnahme, das Netzwerk die Teilhabe von Jugendlichen an der Demokratisierung der Gesellschaft, die aktive Vergangenheitsbewältigung und die Aufarbeitung der Balkankriege. Junge Menschen seien mit den Kriegsverbrechen der 1990er Jahre nicht vertraut, lebten aber noch immer damit, dass „ihre Seiten“ Kriegsverbrecher als „Helden“ feierten. Der dadurch wieder zunehmenden Frontenbildung und Radikalisierung wirke YIHR entgegen.
Die seit den Berichten über das „Potsdamer-Treffen“ rasant wachsende Bewegung der „Omas gegen Rechts“ (OgR) setze sich laut Friedenspreis mit verschiedenen Aktionsformen für Gleichberechtigung und Toleranz sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus ein. Die OgR stellten sich den rechtsextremen und faschistischen Entwicklungen entgegen. Sie hätten bei allen Altersgruppen einen hohen Stellenwert und erreichten viele Menschen mit ihren Aktionen und Aussagen. Die Omas und Opas lebten den politischen Pluralismus – es seien von ganz links bis konservativ alle Einstellungen vertreten, teilte der Friedenspreis seinerzeit mit.
Die 2017 zunächst in Österreich und 2018 auch in Deutschland gegründeten OgR waren zwar oft in den Medien präsent, ihre Ortsgruppen aber relativ klein. Heute gibt es in Deutschland nach eigenen Angaben rund 30.000 Mitglieder in mehr als 200 Ortsgruppen. Vor den Europawahlen hatten Studierende der Fachhochschule Aachen gemeinsam mit den „Omas“ die Kampagne „Oma ruft an“ auf TikTok gestartet.
Am ersten August-Wochenende fand im Erfurter Landtag der 1. Bundeskongress der „Omas gegen Rechts“ statt. Zuvor hatte die zweite Vorsitzende des Vereins, Jutta Shaikh, ihre Forderung nach einem Verbot der AfD bekräftigt. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ sagte Shaikh: „Wie lange will man die AfD beobachten? Bis man sie nicht mehr verbieten kann? Irgendwann ist es zu spät. Wehrhafte Demokratie kann nicht nur von der Zivilgesellschaft ausgehen. Auch unsere Politikerinnen und Politiker sind gefordert, unsere Demokratie zu schützen.“
Am Rande des Bundeskongresses – an dem rund 300 Aktivistinnen teilnahmen, darunter zehn aus Aachen – fand auch eine Demonstration unter dem Motto „Demokratie schützen – jetzt!“ statt. An dem Protestzug durch die thüringische Landeshauptstadt nahmen am ersten Augustsamstag nach Polizeiangaben rund 800 Menschen teil. In der Begründung des Aachener Friedenspreises für die Ehrung der „Omas gegen Rechts“ hieß es, das Engagement der OgR erfordere gerade im Osten Deutschlands viel Mut, den der Friedenspreis ausdrücklich würdigen wolle.
2020 ehrte der Zentralrat der Juden die OgR bereits mit dem Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage, offiziell verliehen wurde der Preis wegen der Pandemie aber erst 2022. Nach der Vorstellung der beiden Preisträger*innen des Aachener Friedenspreises Mitte Mai wurde in rechten bis rechtsextremen und verschwörungsgläubigen Kreisen abermals massiv Stimmung gegen die OgR sowie auch gegen den Friedenspreis gemacht. Neu war das allerdings nicht. Die OgR Aachen demonstrierten zu Beginn ihres Bestehens oft nur mit einer Handvoll Frauen gegen die Teilnahme von Rechtsextremen, Verschwörungsgläubigen und Antisemit*innen an den Protesten gegen die Corona-Schutzimpfung und gegen die Impfpflicht. Diffamierte ein Online-Portal aus dem Spektrum der Aachener Organisator*innen der Impf-Demos jugendliche Antifaschist*innen zunächst als „neue SA“ oder „Kinder-S-A“, wurde die OgR später u.a. als „Erwachsene-S-A“ verunglimpft.
Der Aachener Friedenspreis wird traditionell am 1. September (ab 19 Uhr) in der Aula Carolina verliehen. Wie in den letzten Jahren ist zudem ein Livestream von der Veranstaltung geplant. Der Preis ehrt – üblicherweise immer am Antikriegstag – Initiativen oder Einzelpersonen, die sich von unten für Frieden und Dialog zwischen Konfliktparteien einsetzen. Die Laudatio hält in diesem Jahr Arne Semsrott. Er ist zivilgesellschaftlicher Aktivist, maßgeblich beteiligt an „FragDenStaat.de“ und Projektleiter des „Gegenrechtsschutzes“. Semsrott ist außerdem Autor des Buches „Machtübernahme. Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren – Eine Anleitung zum Widerstand.“ (mik)